Selbstverständnis

Inke Lode

lindengruen arbeitet auf der Grundlage von einem transkulturellen Identitätsverständnis und einem Diversitätsbegriff, der nicht auf ethnische oder kulturelle Vielfalt reduziert ist.

Das heißt, ich betrachte die Identität eines Menschen als vielfältig geprägt und sich verändernd in Zeit und Raum durch persönliche Erlebnisse, Familienhintergründe oder Begegnungen mit anderen Menschen und kulturellen Einflüssen. „Die meisten unter uns sind in ihrer kulturellen Formation durch kulturelle Herkünfte und Verbindungen bestimmt. Wir sind kulturelle Mischlinge. Die kulturelle Identität der heutigen Individuen ist eine patchwork-Identität,“ beschreibt Wolfgang Welsch sein Konzept der „inneren Transkulturalität von Individuen.“*

Kulturelle Prägungen lassen sich dabei nicht auf Ländergrenzen, Staatsangehörigkeit, Landessprache oder einem Kanon von „Leitkultur“ reduzieren. Kulturelle Prägungen werden familiär, lokal oder regional, von in unserem Leben wichtigen Personen und Institutionen, aber auch von der uns umgebenen Natur, Architektur, der Gesellschaft und dem Klima mitbestimmt. Wie wir sprechen, unseren Alltag gestalten, kooperieren, welche Bedeutung Familie, Freundschaft oder Arbeit in unserem Leben haben, erfährt eine kulturelle Prägung durch unser Umfeld und durch unsere individuelle Wahl, wie wir mit diesen Prägungen umgehen.

Diese individuellen Kulturprägungen mögen sich dabei überlagern, sich durchdringen und verflechten – so wie es auch in unseren Gesellschaften geschieht. Heterogene Kulturelemente finden Eingang in unsere global geprägten Gesellschaften und lassen keine klar „einsortierten“ Identitäten und Schubladendenken zu. Sie verändern unsere Gesellschaft und uns selbst. Jeder Mensch erlebt solche Prozesse dabei ganz unterschiedlich. Denn Kultur ist nur einer von drei Bestandteilen im Kultur(wirk)dreieck von Person, Situation und Kultur, das bei jeder interkulturellen, jeder zwischenmenschlichen Begegnung eine Rolle spielt.

Im täglichen Zusammenleben und Verhalten drücken wir unsere kulturellen Prägungen und Werte durch unser Verhalten und unsere Kommunikation aus. Dabei entstehen Missverständnisse und Konflikte mit anderen, denn wir gehen in der Regel davon aus, dass die Menschen in unserem Umfeld nach den gleichen Werten und Kulturprägungen handeln – das ist aber oft nicht der Fall am Arbeitsplatz, in der neuen Stadt, im Kontakt mit Menschen unterschiedlicher Kulturhintergründe. Hinzu kommt, dass spezifische Subkulturen von unterschiedlichen Arbeitsfeldern und Branchen wie z. B. Gesundheit, Wissenschaft, Industrie und Handwerk oder öffentlicher Verwaltung die Regeln dortiger Kommunikation und Zusammenarbeit mitbestimmen.

Zu einer erfolgreichen individuellen Entwicklung und einer möglichst konfliktfreien Kommunikation und Zusammenarbeit kann das Erkennen der eigenen Werte und Kulturprägungen, ein Wissen über zentrale Kulturdimensionen sowie subkulturelle Einflüsse einen wichtigen Beitrag leisten. Dem widme ich meine Arbeit mit Ihnen! Denn die Heterogenität von uns selbst und anderer ist ein großer Reichtum, den wir als Ressource erkennen und nutzen sollten – ob in der Kommunikation am Arbeitsplatz, bei der eigenen Entwicklung des Berufs- und Lebenswegs, im wissenschaftlichen Austausch, bei der Zusammenarbeit im internationalen Team oder bei der Entwicklung einer diversitätsbewussten Organisation.

Diversität lässt sich dabei nicht auf kulturelle Vielfalt reduzieren, sondern berücksichtigt u. a. Alter, Behinderung, Geschlecht, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit sowie Religion und Weltanschauung als Bestandteile von strategischen interkulturellen Öffnungsprozessen. Bei einer diversitätsbewussten Organisationsentwicklung stehen vor allem Beteiligung und Selbstbefähigung, Selbstverantwortung und Verantwortung für das Miteinander und die gemeinsamen Ziele im Vordergrund.

* Wolfgang Welsch, „Was ist eigentlich Transkulturalität?“, Bielefeld: Transkript Verlag, 2010, S. 5.